Wut nach Lohnverzicht

„Wieso ist aber auch ein Großteil der Bevölkerung nicht bereit, die offensichtliche Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, dass die deutsche Reform- und Sparpolitik in der Eurozone gescheitert ist? Das liegt vor allem an der Legende, der zufolge die Reformpolitik der Agenda 2010 in Deutschland erfolgreich gewesen sei. Viele Menschen in der Bundesrepublik haben im Verlauf dieses Sozialkahlschlags enorme Entbehrungen auf sich nehmen müssen und reagieren nun mit Wut und Unverständnis, wenn ihre Steuergelder für die Stabilisierung der Krisenländer aufgewendet werden sollen, die ein schuldenfinanziertes „Lotterleben“ geführt hätten.

Während die Bevölkerung der Bundesrepublik vermittels Hartz IV auf lohnpolitische Nulldiät gesetzt wurde, haben die südlichen Euroländer einen wilden schuldenfinanzierten Boom erlebt, so die Stammtischlegende hierzulande. Es herrscht die Stimmung vor, die „Südländer“ demselben Sparterror zu unterwerfen, dem man selber ausgesetzt gewesen war – und der doch anscheinend Deutschland nun zur Führungsmacht Europas aufsteigen ließ. Die Blindheit eines großen Teils der deutschen Bevölkerung gegenüber der Tragödie, die sich in Griechenland und Südeuropa aufgrund des deutschen Spardiktats entfaltet, resultiert somit aus einer im Gefolge der Schocks der Agenda 2010 um sich greifenden Untertanenmentalität. Hierbei richtet sich die Wut gegen alle Menschen, die sich den Prämissen der Amok laufenden „Ökonomie“ nicht beugen wollen – und etwa Generalstreiks durchführen, anstatt sich in Niedriglöhne und Hartz-IV-Zwangsarbeit zu fügen. Für alle Menschen, die die Prämissen des grassierenden Ökonomismus verinnerlicht haben und deswegen Verzicht üben, muss ein Widerstand gegen die wirtschaftlichen „Sachzwänge“ unerträglich scheinen.

Das Problem bei dieser gewissermaßen sadistischen Sichtweise der Eurokrise ist nur, dass die Agenda 2010 in der BRD ohne die Verschuldungsprozesse in Europa nicht möglich gewesen wäre. Die von der Regierung Schröder-Fischer eingeleitete Prekarisierungswelle in Deutschland ließ die Binnennachfrage in Deutschland genauso einbrechen, wie es nun der deutsche Sparterror in Europa tut. Doch konnte in der Bundesrepublik dieser Einbruch damals durch die extreme Steigerung der Exportüberschüsse in die Eurozone ausgeglichen werden, die ja aufgrund des Euro nicht mehr mit Währungsabwertungen darauf reagieren konnte.

Die Folge: Seit der Einführung des Euro hat Deutschlands Exportindustrie einen gigantischen Leistungsbilanzüberschuss gegenüber der Eurozone angehäuft, der inzwischen auf rund 800 Milliarden Euro angestiegen sein dürfte. Diese Überschüsse Deutschlands entsprechen den Defiziten – also Schulden – der übrigen Eurostaaten. Bei der Eurozone handelt es sich also bereits um eine Transferunion – allerdings nicht um eine, bei der Deutschlands Steuerzahler andere Staaten finanzieren würden; sondern um eine Transferunion, bei der die Leistungsbilanzüberschüsse der deutschen Exportindustrie mit einer ausufernden Defizitbildung der schwächeren südeuropäischen Volkswirtschaften beglichen wurden – wie mit der Prekarisierung des Arbeitslebens in Deutschland selber. Die simple arithmetische Tatsache, dass Deutschlands Leistungsbilanzüberschüsse automatisch die Schulden der Importländer darstellen müssen, wird im deutschen Krisendiskurs verbissen ausgeblendet“

Zitat aus einem Artikel der „telepolis“ zur aktuellen Krisenpolitik.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Wut nach Lohnverzicht“

  1. Der Nationalsozialismus, wie er heute z. B. in Russland und China existiert, unterscheidet sich insofern vom „real existierenden Sozialismus“, als dass sich die Staatsmacht allein auf Propaganda, Polizei, Geheimdienste und Militär stützt, um das arbeitende Volk zu unterdrücken, während die Produktionsmittel (Sachkapitalien) im Besitz privater Wirtschaftsdiktatoren (Konzerne) bleiben, die sich immerhin noch durch einen letzten Rest von Konkurrenz gegenseitig in ihrer Macht beschränken. Einzelne Wirtschaftsdiktatoren werden nur dann enteignet und das Sachkapital umverteilt, wenn sie sich gegen die Staatsmacht auflehnen und nicht „im Sinne der Partei“ kooperieren. Da die Privatinitiative des arbeitenden Volkes nicht gänzlich unterdrückt wird, ist der Nationalsozialismus gegenüber dem „real existierenden Sozialismus“ wirtschaftlich leistungsfähiger. Das ist der Grund, warum sich diese Form der Machtausübung in Russland und China durchgesetzt hat.

    Die sozialistisch orientierten EU-Politiker streben nun ebenfalls den Nationalsozialismus für die ganze „Europäischen Währungsunion“ an (die Bezeichnung „EUdSSR“ ist also nicht ganz zutreffend), weshalb sie sich auch mehr als die etwas „liberaler“ eingestellten EU-Politiker dafür einsetzen, z. B. Griechenland „mit aller Gewalt“ in der Ausbeutungsunion zu halten und europäische Staatsanleihen einzuführen (Vergemeinschaftung der Staatsverschuldung). Andere sozialistische Bestrebungen sind z. B. die Verstaatlichung von Geschäftsbanken oder europäische Geheimdienste und ein europäisches Militär. Die Frage ist jetzt: Wäre der Europäische Nationalsozialismus wirtschaftlich leistungsfähiger, bzw. könnte er länger überleben als die (noch) bestehende EU? Antwort: leider JA.

    Glücklicherweise wird es nicht soweit kommen, weil die globale Liquiditätsfalle (Armageddon) schon vorher evident wird, um alles auszulöschen, was „diese Welt“ (Zinsgeld-Ökonomie, zivilisatorisches Mittelalter) an politischen Perversionen hervorgebracht hat. Da die einzige „Alternative“ (für weniger als 10% der heutigen Weltbevölkerung) der Rückfall in die Steinzeit wäre, ist die Verwirklichung der Natürlichen Wirtschaftsordnung (echte Globale Soziale Marktwirtschaft) „in letzter Minute“ wahrscheinlicher:

    2012 – Weltuntergang oder Gelduntergang?
    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/01/2012.html

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