Tiger sind bankrott

Auf dem Höhepunkt der Spekulationsblasen nannte man Estland, Lettland und Litauen die „Baltischen Tiger“. Mit Spekulationsgeld blühte die dortige Steuersparindustrie. Doch mit der Wirtschaftskrise war der Traum vorbei – und während die EU-Wirtschaft angeblich um 4,8 Prozent im zweiten Quartal wuchs, verzeichneten die drei Länder Riesen-Verluste: Estlands Wirtschaft schrumpfte gegenüber dem Vorjahr um 16,6 Prozent, Lettlands um 18,2 Prozent und Litauens um 22,6 Prozent – weit mehr als etwa die osteuropäischen Problemländer Rumänien und Ungarn.

Jetzt rächt sich, dass die drei „Tiger“ voll auf marktradikale Rezepte setzten – und praktisch ihre ganzen Sozialversicherungssysteme privatisierten. Deswegen – und weil der internationale Währungsfonds, in alter, schlechter Traditition Krisen-Geld nur mit neoliberalen Zwangsrezepten verleiht – sparen die baltischen Staaten ihre öffentlichen Haushalte jetzt zu Tode: Lehrer und Staatsbedienstete werden entlassen, die Löhne kräftig gekürzt und Rentner in Armut getrieben. Zum Dank müssen die drei Länder ihr Geld für Höchst-Zinsen an einem Kapitalmarkt besorgen, wo sie von Rating-Agenturen herabgestuft wurden. Das alles dürfte die Deflation in diesen Ländern kräftig anheizen: Denn die Sparrezepte sind dieselben wie in den 30er-Jahren als Reichskanzler Brüning Krisen-Deutschland kaputtsparte – solange bis die Nazis an der Macht waren.

Quelle: die tageszeitung 15.8.2009


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