Strafe statt Hilfe

Georg Rammer, lange Zeit als Psychologe in der Kinder- und Jugendhilfe tätig, engagiert sich bei Attac gegen Kinderarmut und schreibt in der „taz“ (29.7.2009):

Der Bundestag hat einen runden Tisch einberufen, um Unrecht und Leid aufzuarbeiten, das Heimkindern vor 40 bis 50 Jahren angetan wurde. … Seither hat sich die soziale Arbeit … verbessert, dennoch versagt die Kinder- und Jugendhilfe auch heute, weil sie wie vor 50 Jahren in dem Denkfehler verharrt, für die Entwicklungsschäden von Kindern seien allein deren Eltern verantwortlich. Politische Entscheidungen, welche Probleme in den Familien erst verursachen werden ignoriert. Die Kinder- und Jugendhilfe macht sich damit zur Bad Bank der menschlichen Kosten, die auf eine Spaltung in Arm und Reich zurückzuführen sind. …
Inzwischen leben 2,5 Millionen Kinder an der Armutsschwelle. Rund 2 Millionen Minderjährige sind auf Hartz IV angewiesen …
Der Sozialwissenschaftler Hurrelmann … warnte: „Kinder können offensichtlich ein weiteres Auseinanderklaffen der Gesellschaft nicht verkraften“. Er schrieb das 1995, lange bevor die Aufspaltung in Arm und Reich durch die Agenda 2010 und Hartz IV eine Zuspitzung erfahren hat. …
Doch als verantwortlich für die Probleme der Kinder gelten stattdessen allein die Eltern … Kinder werden viel häufiger als noch vor wenigen Jahren gegen den Willen ihrer Eltern aus der Familie genommen. So bekommen Jugendämter wieder den Charakter von Eingriffsbehörden, die statt Hilfe Kontrolle und Strafe zu bieten haben.
Dieser Trend wird durch das Kinderschutzgesetz verstärkt, das vom Bundesfamilienministerium ausgearbeitet wurde. … Der Gesetzentwurf belebt den Geist der 1950er-Jahre wieder, der „Unterschichtseltern“ zu Versagern stempelt …
Die Politik rüstet sich für die absehbaren Folgen der Wirtschaftskrise und gegen die Opfer der wachsenden Ungerechtigkeit. Schon fordert der hessische Innenminister (wie auch der Berliner Innensenator) geschlossene Heime für „kriminelle Kinder“…


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