Gerecht ist das nicht

Fälle aus der Reportage „Leben wir in einem ungerechten Land“ (Wochenendmagazin der „Süddeutschen Zeitung“ 19.6.2009)

1. Klaus Zumwinkel hat 970.000 Euro Steuern hinterzogen. Dafür erhielt er eine Bewährungsstrafe. Mit einer „Vorab-Rente“ von 20 Millionen Euro zog er sich an den Gardasee zurück. Kaiser’s Kassiererin Barbara E. wurde verdächtigt einen Pfandbon im Wert von 1,30 Euro unrechtmäßig zu ihren Gunsten eingelöst zu haben. Ohne strafrechtliche Ermittlung wurde sie entlassen – eine nach deutschem Recht zulässige „Verdachtskündigung“.

2. Hans-Olaf Henkel, ehemaliger Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI): „Weil eine Armee von Meinungsführern den Deutschen seit Jahren einredet, unser Land wäre besonders ungerecht, dabei kann mir kaum jemand ein Land nennen, wo der Unterschied zwischen Arm und Reich so gering ist wie in Deutschland.“

3. In den 1970er-Jahren verdiente der Vorstandsvorsitzende eines großen Industriekonzerns das 30-fache eines Arbeiters. 30 Jahre später bekommt der Vorstandsvorsitzende das 350-fache seines Arbeiters ausbezahlt.

4. Bei gleicher Leistung werden Kinder aus Akademikerfamilien doppelt so häufig von den Lehrern fürs Gymnasium empfohlen wie ihre Klassenkameraden aus Facharbeiterfamilien.

5. Stepan Lessenich, Soziologe in Jena: „Mit Hartz IV ist in Deutschland ein strukturelles Misstrauen gegenüber den Menschen eingezogen… Auf einmal gilt der erfolgreiche, motivierte, flexible Mensch als Normalmaß … aber das ist er eben nicht. Auch nicht, wenn man ihn mit Hartz IV gängelt und bestraft. Ihn permanent demütigt… Damit motiviert man nicht. Menschen reagieren auf Drangsalierungsmaßnahmen mit Rückzug, mit Depressionen, mit Frust.“

6. Peter Bofinger, „Wirtschaftsweiser“: Deutschland hat sich vom Prinzip „Wohlstand für alle“ verabschiedet und stattdessen „Luxus für wenige“ zum Maßstab gemacht.

7. Friedhelm Hengsbach, Jesuitenpater, katholischer Sozialethiker: „…dass die Löhne oben so enorm geworden sind und unten so lächerlich gering und wir in Deutschland zum Teil Zwangsverhältnisse haben, ungerechte Verträge, das ist ja weder ökonomisch noch gesellschaftlich erklärbar. Es ist eine Machtfrage.“


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