Die Verzweiflung der Versicherer

Nicht nur die Superreichen lassen ihr Geld mit Finanzmarkt-Spekulationen vermehren. Ein nicht unerheblicher Teil der renditesuchenden Kapitalien kommt von so genannten institutionellen Anlegern, von denen wiederum viele in Form von Pensionsfonds oder (Kapital-)Lebensversicherungen dem Zweck der kapitalgestützten Altersvorsorge dienen.

In Deutschland sind es vor allem die Lebensversicherer, die hier also zum Wohle vieler Policeninhaber als Spekulanten auftreten. In der „guten alten Zeit“ des westdeutschen Nachkriegskapitalismus war die Lebensversicherung neben dem Eigenheim und einer „Betriebsrente“ die wohl wichtigste Form einer Anlage, die für einen Zuschuss zur umlagefinanzierten, gesetzlichen Rente sorgen sollte.

Mit einem hoch regulierten, „sicheren“ Anlageprodukt sollten Teile der Arbeitnehmereinkommen den Finanzmärkten zur Verfügung gestellt werden, um – insbesondere – die Kreditbedürfnisse des Staates zu befriedigen. Also war das Geschäft der Lebensversicherer relativ einfach: sie legten das Kapital ihrer Versicherten vorwiegend in Pfandbriefen und anderen „langweiligen“ Formen von Staatsanleihen an. Wegen des anhaltenden Wirtschaftswachstums war es ein leichtes Renditen zu erzielen, die deutlich über der vorgeschriebenen Garantieverzinsung lag. Das belächelten „Spekulanten“ an den Aktienbörsen als wenig einträglich – doch die Versicherungskonzerne konnten nicht nur ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Policeninhabern erfüllen, sondern erwirtschafteten für ihre Aktionäre auch hohe Dividenden.

Mit der neoliberalen Finanzmarkt-Entfesselung (und der daraus resultierenden höheren „Volatilität“) und dem weltweit fehlenden Wachstum aber, kam es infolge der geplatzten Finanzmarkt-Blase nach 2008 zu einer deutlich sichtbaren Erschwerung des Geschäfts der Lebensversicherer. Das liegt aber nicht daran, dass mit sinkenden Zentralbank-Zinsen auch der „Garantiezins“ immer weiter gesenkt wurde. Denn der ist ja bloß ein politisches Sicherheitsversprechen an die Policeninhaber, der auch vom schlechtesten Anbieter von Lebensversicherern am deutschen Markt deutlich übertroffen wird (und ältere Verträge profitieren derzeit ohnehin von der vertraglich garantierten Verzinsung).

Das Problem der Versicherer liegt darin, in Zeiten des billigen Zentralbank-Gelds, renditeträchtige Anlagen zu finden, die mit den gesetzlichen Sicherheits-Vorgaben für Altersvorsorge-Anlagen vereinbar sind. Was vorher nur schmückendes Beiwerk zu Pfandbriefen und (deutschen) Staatsanleihen war – Aktien und Unternehmensanleihen, Staatsanleihen anderer Euro- und „Schwellenländer“, Investitionen in Immobilienfonds und erneuerbare Energien und vieles mehr – wurde nun dringend gebraucht, um nicht nur garantierte Zinszuweisungen zu erwirtschaften, sondern im Feld der Anbieter eine überdurchschnittliche „Performance“ zu erreichen.

Mehr und mehr tauchen dabei Schwierigkeiten auf, die verantwortlichen Manager zur Verzweiflung bringen – etwa die Unmöglichkeit mit Schwellenländer-Anleihen längerfristig Gewinn zu machen, da hier zur Absicherung immer auch ein „hedging“ gegen Währungsschwankungen betrieben werden muss, das am Ende dazu führt, dass sich der schön hohe Zins der Schwellenländer-Anleihe ins selbe Nullzins-Nichts auflöst wie die Anleihen des Bundesfinanzministers. Aktuell sind es wohl die Infrastruktur-Investitionen in erneuerbare Energien und der erneute Aufbau großer Immobilienblasen, die prägend sein dürften für die Zuweisungen der Versicherer an die Policen (deshalb lobbyieren diese bei der Politik ja auch für die „Privatisierung“ der Verkehrs-Infrastrukturen und anderer staatlicher Investitionen).

Es ist also letztendlich wieder das fehlende Wirtschaftswachstum, das die institutionellen Anleger an den Finanzmärkten zur Verzweiflung bringt. Wo kein Wachstum, da kann Rendite nur noch über Spekulationsblasen und Vorwegnahme zukünftiger Gewinne erzielt werden. Und die immer größeren Spekulationsblasen tendieren dazu, in immer kürzeren Zeitabständen zu platzen (und damit das Kapital der Anleger – in diesem Fall der Versicherten – zunichte zu machen).

Nebensätze: 1. Die hier geschilderte Verzweiflung der Versicherer ist kein Argument dafür, seine Altersvorsorge auf noch risikoreichere Kapitalanlageformen – z.B. Aktienfonds – zu verlagern. 2. Und auch nicht in Produkte wie die „Riesterrente“, die den Niedrigzins mit hohen Verwaltungskosten kombinieren und nur bei den Anbietern für Gewinne sorgen, nicht bei den Policeninhabern. 3. Und sie ist schließlich auch kein Plädoyer für noch mehr „private“ Altersvorsorge. Nur eine staatliche Altersvorsorge ohne Renditeabsicht, finanziert durch Umlagesysteme und Steuern, kann auch in einer wachstumslosen Wirtschaftszukunft für eine Rente sorgen, die nicht in die Armut führt.


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