Aktuell wird meine Facebook-Timeline geflutet mit Beiträgen deren Kernaussage variiert zwischen „Tesla ist Schrott“ und „Wegen Elon Musk kaufe ich keinen Tesla“. Dabei bildet sich eine amüsante Allianz zwischen Leuten, die Elektromobilität als maximale Zumutung empfinden und solchen, die den Kampf gegen den Kapitalismus reduzieren auf die moralische Bewertung des öffentlichen Verhaltens von Milliardären.
Die „Benzin im Blut“ Fraktion – vor allem so genannte Motorjournalisten aus rechtskonservativen Medienhäusern und „Schrauber aus Leidenschaft“ – fühlt sich zutiefst verletzt davon, dass ein US-Unternehmen innerhalb weniger Jahre den Automarkt und die -Industrie komplett umgekrempelt hat. Die vom „röhrenden Sechszylinder“ wegführende physikalische Effizienz batterieelekrtischer Antriebe wird als Angriff auf den Lifestyle echter Männer empfunden – insbesondere wenn so ein Elektrovehikel sein Beschleunigungs-Drehmoment nutzt, um den geliebten BMW oder Audi „alt“ aussehen zu lassen.
Tief in ihrem Innern wünschen sich diese – wörtlich zu nehmenden – alten, weißen Männer eine staatliche Regulierung, die E-Autos verbietet und einen Kaufzwang für SUV-Geländepanzer bei gleichzeitiger Subvention des aus Erdöl gewonnenen Treibstoffs implementiert. Deshalb finden sich hier alle „Argumente“ von der schlechten Verarbeitungsqualität der E-Mobile über die Kinderarbeit in den Lithium- und Kobaltminen der Welt bis hin zur Hoffnung auf Wasserstoffantriebe und E-Fuels (letztere gerne auch mal von der FDP, nicht aber von Porsche & Co. ins Spiel gebracht).
Diese traurige Gruppe der ihrer lärmenden Penis-Ersatz-Mobile beraubten Omega-Männchen erhält nun ausgerechnet aus der Öko-Ecke Verstärkung. Dort moralisiert man seit dem Twitter-Kauf von Elon Musk darüber, dass doch bitte schön die Produkte von Firmen, die rechtsextremen Tech-Milliardären gehören nicht gekauft werden sollten. Der Konsumenten-Boykott als ultimative Waffe im Kampf für einen „nachhaltigen“ Kapitalismus (der schon wegen der Wachstums-Zwänge pure Illusion bleiben muss).
Höchst amüsant hier, dass sich dieselbe Gruppe 20 Jahre nicht dafür interessierte, was für politische Rechtslastigkeiten Elon Musk und Peter Thiel nicht nur persönlich haben, sondern mit Millionenbeträgen täglich einen faschistischen Mad-Max-Kapitalismus herbeifördern (samt „Der Bericht der Magd“ Frauen-Unterdrückung). Im Gefolge des Beschwörens scheinbarer Verbrauchermacht wird schlicht übersehen, was Karl Marx korrekt analysierte. Der Kapitalist handelt nicht auf Basis seiner individuellen Weltanschauung (die freilich Ausfluss seiner Klassen-Herkunft ist) sondern objektiv als Agent der kapitalistischen Produktionsweise und Gesellschaftsform. Aber sich moralisch mit Kaufboykott-Aufrufen über die Musk-Fanboys zu erheben, die dem unternehmerischen Genie ihres Idols geradezu religiös huldigen, ist vermutlich einfacher als politische Strategien für eine Nichtkapitalistische „Mobilitätswende“ zu entwickeln und durchzusetzen.
Und am Ende empört man sich gemeinsam mit den Autoposern nicht nur über die Idioten, die Produkte eines Unternehmens kaufen, das die gesamte Autoindustrie im Wortsinn „disruptiv“ umkrempelt – sondern vor allem über ein paar junge Leute der „letzten Generation“, die sich auf Straßen festkleben und damit die „freie Fahrt für freie Bürger“ behindern.
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