Weniger Brutto ist weniger Netto

In einem Leitartikel der „taz“  (30.11.2010) geht es um „Mehr Netto vom Brutto“. Hier Auszüge:

„“Entlastung der Bürger“ lautet das Dogma… Die Steuerentlastungsrhetorik führt jedoch absichtsvoll in die Irre. Was sen Arbeitnehmern vom Bruttolohn abgezogen wird, fließt an den Fiskus und in die gesetzlichen Versicherungen. Dafür erhalten … sie Gegenleistungen wie staatliche Schulbildung, medizinische Versorgung und Arbeitslosengeld. Reduziert man die Abzüge vom Bruttolohn, … steigt auf der Gehaltsabrechnung die Summe des Nettolohns. Das ist der Trick, mit dem mehr Kaufkraft vorgetäuscht werden soll. Tatsächlich aber sinken seit zwei Jahrzehnten die Reallöhne…

Ein Normalverdiener mit 35.000 Euro brutto pro Jahr zahlt heute rund 1.500 Euro weniger Einkommensteuer als vor zehn Jahren. Mehr Netto vom Brutto? Irrtum: In der Zwischenzeit sind eine Reiher neuer Kosten hinzugekommen, die vom nominell höheren Netto beglichen werden müssen. Das sind … Studiengebühren, die Beiträge zur Rieserrente, zu den privaten Krankenzusatzversicherungen, die steigenden Eintrittspreise in Schwimmbädern und Museen…

Weniger Netto vom Netto ist das Ergebnis, wenn der Staat auf Steuereinnahmen verzichtet und die gesetzlichen Sozialversicherungen finanziell ausbluten lässt. Gesundheitsminister Philipp Rösler plant bereits die nächste Attacke auf den Nettolohn. Der ohnehin schon privatversicherungsgeschundene Bürger soll auch noch Beiträge für eine private Pflegeversicherung zusätzlich berappen. Von einer Entlastung der Leistungsträger in den unteren und mittleren Einkommen kann keine Rede sein. Nur für jene, bei denen Studiengebühren und Kita-Beiträge ohnehin nur Peanuts sind, wirken Steuersenkungen als weitere Zusatzgewinne, die steueroptimiert reinvestiert werden: etwa in leerstehende Bürogebäude, die … den Bau neuer Wohnungen verhindern und damit die Miete künstlich in die Höhe treiben…

Je „schlanker“ sich der Staat macht, desto nutzloser werden die Kategorien Brutto und Netto. Als entscheidend für den Lebensstandard erscheinen zunehmend die Fixkosten eines Wohnortes: ortsgebundene Gebühren, Gas- und Wasserpreise… Dass weniger Staat und mehr Privatwirtschaft die Bürger entlasten, dieser Glaube gerät … ins Wanken, seitdem die Gebühren trotz (oder wegen?) der Privatisierungen rasant steigen…

Mehr Netto vom Netto! Das bedeutet etwa gebührenfreie Kitas und Unis, freie U-Bahn-Fahrt… – eine gebührenfreie soziale Infrastruktur, aber dafür höhere Steuern – vor allem auf höhere Einkommen. Eine Entlastung von den Kosten für die alltägliche Basisversorgung stärkt die Kaufkraft und schützt vor mehr Armut…“


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